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W**R
Ein Buch über den Vöklermord der Türken an die Armenier im Jahre 1915
Rezension des Buches „Die vierzig Tage des Musa Dagh“ von Franz Werfel, erschienen und © 2016 bei Anaconda Verlag GmbH, KölnDas Buch "Die vierzig Tage des Musa Dagh" erschien zuerst 1933 im Verlag Paul Zsolny in Wien. Der Text der besprochenen Ausgabe folgt der Erstausgabe. Es befasst sich mit dem Völkermord der Türken an den Armeniern im Jahre 1915.Laut Wikipedia ist Armenien ein Binnenstaat im Kaukasus und liegt im Bergland zwischen Georgien, Aserbaidschan, dem Iran und der Türkei. Das Land entspricht dem nordöstlichen Teil des ehemals viel größeren armenischen Siedlungsgebiets, das jedoch in der wechselvollen Geschichte Armeniens nur selten ein vereintes Reich war. Der Völkermord an den Armeniern geschah während des Ersten Weltkrieges unter Verantwortung der von der jungtürkischen Bewegung gebildeten Regierung des Osmanischen Reiches. Bei Massakern und Todesmärschen in den Jahren 1915 und 1916 kamen je nach Schätzung zwischen 300.000 und mehr als 1,5 Millionen Menschen zu Tode. Die Ereignisse sind durch umfangreiches dokumentarisches Material aus unterschiedlichsten historischen Quellen belegt. Die christlichen Armenier sehen in ihm ein ungesühntes Unrecht und fordern seit Jahrzehnten ein angemessenes Gedenken auch in der Türkei. Dagegen bestreiten die Regierung und die offizielle türkische Geschichtsschreibung der aus dem Osmanischen Reich hervorgegangenen Republik Türkei, dass es sich um einen Völkermord gehandelt hat. Sie bezeichnen die Deportationen als „kriegsbedingte Sicherheitsmaßnahmen“, die notwendig geworden seien, da die Armenier das Osmanische Reich verraten, seine damaligen Kriegsgegner unterstützt und ihrerseits Massaker an Muslimen begangen hätten. Die Todesfälle führen sie auf ungünstige Umstände und lediglich vereinzelte Übergriffe zurück. Der Streit um die Anerkennung dieses Genozids als historische Tatsache belastet bis heute die Beziehungen zwischen der Türkei einerseits und Armenieren, sowie zahlreichen westlichen Staaten, insbesondere Deutschland. Der Deutsche Bundestag hatte lobenswerterweise 2016 eine entsprechende Resolution gefasst, die vom türkischen Diktator Erdogan scharf verurteilt wurde und durch die Halsstarrigkeit von Erdogan zu einer Belastung des deutsch-türkischen Verhältnisses führte. Papst Franziskus hat diesen Völkermord der Türken mehrmals öffentlich kritisiert.Zum Inhalt des Buches:Der armenische Türke Gabriel Bagradian lebt in seinem Elternhaus in Yoghonoluk, am Rande des Berges Musa Dagh. Sein sagenumwobener Großvater Awetis Bagradian hatte das Haus gebaut, in dem er und später seine Eltern mit ihren zwei Kindern gewohnt hatten. Er war der Gründer einer internationalen Teppichweberei, deren Sitz Istanbul war mit Niederlassungen in Paris, London und New York. Der Bevölkerung war der Großvater in Erinnerung geblieben, weil er nach einem besonders gelungenen Geschäftsjahr eine Schiffsladung von Singer-Nähmaschinen verteilen ließ. Gabriel wurde in dem Haus geboren.Gabriel Bagradian war dreiundzwanzig Jahre in Paris. Dort heiratete er noch sehr jung seine Frau Juliette. Sein Bruder, der auch Awetis heißt und ein einsamkeitssüchtiger Sonderling ist, ging zurück in die Türkei und reaktivierte das Anwesen des Großvaters. Gabriel Bagradian ging in Paris aufs Gymnasium und studierte an der Sorbonne. Er empfing eine Jahresrente des Handelshauses, die ihn zum freien Mann und Gelehrten machte. Gabriel ist 35 Jahre, Juliette 34 Jahre und ihr gemeinsamer Sohn Stephan dreizehn Jahre alt.Dann ereilte ihn das Schicksal. Sein Bruder teilte ihm nach Paris mit, er sei ein schwerkranker Mann und forderte ihn auf, seine Interessen bei der Umwandlung des Familienunternehmens in eine Aktiengesellschaft zu wahren, die der Bruder angesichts seines zu erwartenden nahen Todes veranlasst hatte. Der Bruder starb. So kam Gabriel zurück in seine Heimat in das Haus des Großvaters in Yoghonoluk.Es ist das Jahr 1915. In Europa tobt der erste Weltkrieg. Auch deswegen kann Gabriel nicht mehr nach Frankreich zurück. Seine französische Frau Juliette ist mit dem Umzug in seine Heimat einverstanden und blüht dort zunächst auf. Gabriel hat sich in Aleppo bei dem Ersatzbezirk seines Regimentes gemeldet. Dies verlangt seine Offiziersehre als türkischer Soldat. Er rechnet mit seiner baldigen Einberufung. Doch die armenischen Türken werden nicht mehr einberufen.Gabriel Bagradian erkundigt die sieben Dörfer am Fuße des Musa Dagh und die Landschaft. Damit lernt er immer mehr Land und Leute kennen, und er wird sich zunehmend stärker seines armenischen Wesens bewusst. Im Gespräch mit dem gregorianischen Priester Ter Haigasun erfährt er von der Verhaftung von armenischen Intellektuellen in Istanbul. Dann kommen der protestantische Pfarrer Aram mit seiner schwangeren Frau und seiner geliebten Schwester und einem Waisenkind in das Dorf. Sie kommen aus Zeitun. Dort wurden alle armenischen Bewohner deportiert.Der deutsche evangelische Geistliche Dr. Johannes Lepsius versucht, in einem Gespräch mit dem türkischen Kriegsminister Enver Pascha weitere Deportationen von Armeniern zu verhindern. Er ist ein Freund der Armenier und hat sich deren Sache zu Eigen gemacht. Es gelingt ihm jedoch nicht, den Kriegsminister zu überzeugen.Der Autor geht auf die dreckigen Seiten dieser Deportationen anhand einzelner Beispiele ein, die für die Menschen mit dem Tod endeten. So wurde ein Volk nahezu ausgerottet.Gabriel Bagradian erfährt, dass türkische Beamte und Polizisten in die sieben Dörfer des Musa Dagh kommen werden, um die Armenier abzuholen und nach Osten zu bringen. Der Name von Bagradian und seiner Familie steht obenan auf einer Liste unerwünschter Personen. Auf einer großen Versammlung der sieben Dörfer des Musa Dagh entscheidet sich die Mehrheit der 5.000 Menschen demokratisch per Wahlen mit Zetteln für den Widerstand gegen die Türken. Sie wählen den Priester Ter Haigasun als obersten Geistlichen und einen Führerrat, in dem Bagradian für die Verteidigung zuständig ist. So wird aus einem abgehobenen Wissenschaftler in kurzer Zeit ein Führer der armenischen Menschen in den sieben Dörfern mit strategischem Durchblick.Ein geringer Teil der Bewohner die sieben Dörfer bleibt zunächst in den Dörfern. Sie ziehen mit Pastor Nokhudian in die Verbannung, wie es von den Türken gewünscht wird. Der andere, größere Teil geht oben auf den Berg in den Damjalik, einer „Stadtmulde“. Sie nehmen Verpflegung und sonstige Vorräte mit und errichten einen großen Altar in der Mitte der Mulde und bauen sich Unterkünfte und Zelte.Mit Glück und strategischem Raffinement von Bagradian gewinnen sie drei Schlachten gegen die Türken.Doch die Ehe zwischen Julilette und Gabriel zerbricht unter ihrem armenischen Schicksal. Juliette wird sehr krank.Pastor Dr. Johannes Lepsius versucht wieder einmal, sich beim Auswärtigen Amt in Berlin für die Armenier einzusetzen. Er stößt erneut auf Unverständnis.Stephan Bagradian fühlt sich von Vater und Mutter verlassen und ist deswegen ausgerissen. Er folgt seinem von ihm bewunderten Freund und Konkurrenten Haik auf dem gefährlichen Weg nach Aleppo, wo Haik im Auftrag der Gemeinschaft des Musa Dagh einen Brief an den amerikanischen Konsul Jackson überreichen soll mit der Bitte um Hilfe für die Kämpfer. Nach einer Erkrankung von Stephan zieht Haik allein weiter. Stephan will zurück auf den Damjalik, wird von Türken gefangen genommen und von türkischem Militär erschossen. Die Gemeinde trauert um ihn und begräbt ihn in der Stadtmulde. Die Gruppe in der Stadtmulde zerfällt immer mehr.Am zweiunddreißigsten Tag trat die große Katastrophe ein. Eine Abteilung der türkischen Truppen rückt nachts aus zu den Weiden der Tiere, die der Versorgung der Gruppe in der Stadtmulde dienen, erschlägt ein paar alte Greise, die bei den Tieren schlafen, und treiben die Herde zu Tal. Damit habe die Menschen in der Mulde nur noch Verpflegung für drei bis vier Tage. Ihr Aushungern steht bevor. Die Türken brauchen nur noch abzuwarten.Gabriel Bagradian vernachlässigte seine Befehlshaberpflichten. Eine Abordnung konservativer Türken besucht Bagradian. Sie bringen zur Unterstützung Lebensmittel mit. Und wollen Bagradian in Sicherheit bringen. Dieser lehnt ab, weil er sich seinem Volk zugehörig fühlt.Ter Hagasun lässt die restlichen Vorräte verteilen. Die Türken rüsten zur großen Schlacht. Doch dann tritt das erhoffte Wunder ein: Ein französischer Flottenverband kommt vorbei, beschießt die Türken, die daraufhin die Flucht ergreifen, und nimmt die Verwundeten und die Kämpfer der Stadtmulde auf. Gabriel Bagradin will dem Rummel entfliehen. Er sucht nur noch Ruhe Die 40 Tage auf dem Musa Dragh haben auch ihn geschafft. Er geht noch einmal zur Stadtmulde. Und sucht einen Ort zum Schlafen. Gegen diesen Schlaf gibt es keinen Willen und keine Kraft mehr. „ Gabriel Bagradian hatte den Schlaf, nein, er hatte den Tod“, schreibt der Autor. Dann wacht er auf. Von oben sieht er die Schiffe abfahren. Erst will er sich bemerkbar machen, doch dann vermeidet er dies. Blitzartig wird ihm klar, dass er dies gar nicht will. Er will da bleiben und lebt in tiefer Einheit mit sich selbst. „Sein Leben ist gelenkt und daher geborgen“. Er geht zum Grab seines Sohnes und verweilt dort. Dann wird er von den Türken erschossen. “Er hatte Glück. Die zweite Türkenkugel durchschmetterte ihm die Schläfe. Er klammerte sich ans Holz, riss es im Sturze mit. Und das Kreuz des Sohnes lag auf seinem Herzen.“Franz Werfel war ein österreichischer Schriftsteller jüdischer Herkunft mit deutschböhmischen Wurzeln. Er ging aufgrund der nationalsozialistischen Herrschaft ins Exil, wurde 1941 US-amerikanischer Staatsbürger und war ein Wortführer des lyrischen Expressionismus. In den 1920er und 1930er Jahren waren seine Bücher Bestseller. Sein historischer Roman Die vierzig Tage des Musa Dach machte ihn bekannt. Er hat darin einfühlsam und nachvollziehbar über die Armenier und den an ihnen von den Türken verübten Völkermord geschrieben. Damit hatte er schon Anfang der 1930er Jahre diesen Genozid literarisch aufgearbeitet und öffentlich gemacht. Die Lügen der heutigen türkischen Regierung werden bereits mit diesem Buch aus dem Jahre 1932 entlarvt. Die Armenier waren den Türken als Christen geistig-kulturell überlegen. Dies spürten die Türken und deswegen verfolgte der türkisch-arabische Mob die Armenier gnadenlos.Die Lektüre dieses Buches lohnt sich. Dies Buch ist ein Jahrhundertbuch. Bundeskanzlerin Merkel sollte dies Buch zu einem ihrer nächsten Besuche bei dem Hühnerfreund Erdogan als Gastgeschenk mitnehmen und ihm zur Lektüre empfehlen. Das Buch ist interessant und spannend geschrieben und bringt dem Leser die damaligen Geschehnisse nahe. Gerade in den heutigen Zeiten einer sich zur Diktatur gewandelten Türkei und der permanenten türkischen Leugnung dieses Völkermordes kann ich die Lektüre bestens empfehlen. Dies ist eines der besten Bücher, die ich in den letzten Jahren gelesen habe. Es klärt auf im guten Sinne des Wortes. Dieser grausame Genozid darf nicht vergessen werden! Das Buch sollte Pflichtlektüre an deutschen höheren Schulen werden.Nachsatz (aus: Wikipedia):Das Buch wurde von vielen Juden gelobt, die darin Anspielungen auf das Judentum und Israel sahen. Musa Dagh wird oft mit dem Widerstand in den jüdischen Ghettos während des Zweiten Weltkriegs verglichen. Eines von ihnen, das Ghetto von Bialystok, fand sich in der gleichen Situation wie der Musa Dagh. Im Februar 1943 wurde Mordechai Tenenbaum vom Wilnaer Ghetto geschickt, um den Widerstand in Bialystok zu organisieren. Aus den Aufzeichnungen der Sitzungen: „Nur eins bleibt für uns: den kollektiven Widerstand im Ghetto zu organisieren, um jeden Preis! Das Ghetto als unseren Musa Dagh zu betrachten, um ein ehrenvolles Kapitel des jüdischen Bialystok und unserer Bewegung in die Geschichte zu schreiben!“ ,so Tenenbaum.Exemplare des Buches gingen von Hand zu Hand unter den Ghetto-Verteidigern, die ihre Situation mit den Armeniern verglichen. Nach umfangreichen Aufzeichnungen von Hermann Kruk in der Wilnaer Ghetto-Bibliothek wurde dieses Buch zum beliebtesten unter der Ghetto-Leserschaft, wie auch in den Memoiren von Überlebenden, die in der Bibliothek gearbeitet haben, berichtet wird.
P**O
sehr spannend, historisch höchst interessant
Dieses Buch, von Franz Werfel 1933 nach einem Besuch in Syrien geschrieben, holte sich seinen Inhalt von authentisch erfahrenen Berichten des Autors von Überlebenden des Völkermordes an den Armeniern durch die Jung-Türken. In dem Buch geht es um den geordneten Widerstand von einigen armenischen Dörfern aus einem Tal, die sich auf einen Bergrücken zurückgezogen haben und erbitterten Widerstand gegen ihre Deportation leisten. So packend geschrieben, sodass die fast 1000 Seiten des Romans nicht davon abhalten, verschlungen zu werden. Man erhält auch sehr gute historisch verbürgte Hintergrundinformationen der schrecklichen Vorkommnisse aus dem Jahre 1915 von den Ereignissen, die seitens der Türken heute noch nicht anerkannt werden. Sehr lesenswert und sehr zu empfehlen!
S**K
Darf man einen echten Klassiker kritisieren?
Hallo unbekannter Leser!Um eines vorweg zu nehmen: Natürlich ist Franz Werfels „Die vierzig Tage des Musa Dagh“ ein zeitloses fünf-Sterne Meisterwerk. Es ist spannend zu lesen, auch wenn Franz Werfel immer sehr weit ausholt, sehr präzise und ausführlich schreibt, vielleicht sagt man heute auch ausschweifend. Die Sprache ist ein überragendes Deutsch, und dabei so gut, dass es heute wohl kaum noch jemand zusammenbringt.Und das bei einem ohne Frage zeitlosen Thema, ein Genozid findet gerade in Myanmar bei den Rohingya statt. Zumindest für mich ist das ein klarer Genozid. Eine Vertreibung mit Mord, Totschlag und Vergewaltigung bei dem auch „normale“ Todesfälle wie Verhungern und Erschöpfung billigend in Kauf genommen werden, wenn das kein Genozid ist?Und dergleichen spielt sich bei den Armeniern in diesem Buch ab. Werfel schreibt dabei sehr emotional und das ist eine große Stärke dieses Romans. Die Opfer bekommen Gesichter und sind nicht irgendeine Zahl, die man sich sowieso nicht wirklich vorstellen kann und damit das Leid der Betroffenen nur eingeschränkt. So „lebt“ dieses Leid, und das ist gut so.Aber… und da kommen mir auch schon die Zweifel um nicht zu sagen die „Selbstzweifel“: Manchmal wird es halt für meinen Geschmack zu rührselig, und was mich am meisten stört, praktisch jeder Armenier kommt irgendwie als kleiner Heiliger herüber, so was von tadellos und fehlerlos und edel und kultiviert…Und vor allem gehört zu so einem Buch ein Glossar. Die vielen speziellen türkischen – oder armenischen? – Begriffe, im Original so von Franz Werfel aufgezeichnet, die gehören erklärt. Das erspart das Wikipedia – Nachschlagen. Auch Historisches kann man leicht mit ein, zwei Sätzen dem Leser plausibel machen.Zu guter Letzt: Von einem Türkei Aufenthalt bei Bergkurden weiß ich, man spricht den türkischen Begriff im Romantitel für "Berg" korrekt nicht „musa dag“ aus sondern „musa da -a“ aus. Was man auch in einem Anhang erklären könnte oder sollte.Das ergibt Alles in Allem vier Punkte für mich, und das ist für mich sehr viel, weil ich nicht inflationär mit Punkten bei Büchern herumschmeiße. Und ein schlechtes Gewissen habe ich irgendwie auch dabei.Mit freundlichen Grüßen G.A., Tirol
V**
Grandios
Sehr authentisch, fesseld
P**L
Immer noch aktuell aber nichts für zart Besaitete
Tolles Buch, was auch nicht an Aktualität verliert. Der Schreibstil ist kurz gewöhnungsbedürftig, aber bei einem gut 90 Jahre alten Buch, kann das schonmal vorkommen. Die Story fängt sachte an, wird aber irgendwann sehr heftig und beschreibt den Genozid an den Armeniern auf einer sehr persönlichen und bildlichen Ebene.Mich hat das Buch irgendwann sehr gefesselt, ich hätte auch fast geschrieben, dass ich mit den Charakteren mitgelitten habe, aber dieses Leid kann man nicht mit leiden, dafür ist es einfach zu heftig.Deswegen ist das Buch auch nichts für weicher besaitete Personen.
Trustpilot
3 weeks ago
3 days ago